KI-Wettlauf 2025: Globale Verflechtungen und strategische Abhängigkeiten

28. Januar 2025

In der Berichterstattung über künstliche Intelligenz werden Schlagzeilen häufig von amerikanischen und chinesischen Unternehmen dominiert. Während OpenAI und andere US-Unternehmen zusammen etwa 1 Billion Dollar in KI investieren, hat DeepSeek mit nur 6 Millionen Dollar Entwicklungskosten und 2.000 NVIDIA-Chips (statt der üblichen 16.000) ein konkurrenzfähiges KI-Modell entwickelt. Diese Effizienzsteigerung zeigt, dass KI-Innovation auch mit begrenzten Ressourcen möglich ist.

Allerdings sind für die Entwicklung und den Betrieb dieser Modelle hochwertige Halbleiter erforderlich.Europas wahre Stärke liegt in der Kontrolle über die Schlüsseltechnologie zur Herstellung dieser KI-Chips. Ohne die hochspezialisierten EUV-Lithographiemaschinen aus Europa ist es weder möglich, die fortschrittlichsten Chips zu fertigen, noch die leistungsfähigsten KI-Systeme zu entwickeln.

Die kritische Triade der KI-Chip-Produktion

Der globale Wettbewerb im Bereich der künstlichen Intelligenz ist durch eine einzigartige, interregionale Abhängigkeit geprägt: Europa (ASML) liefert mit seinen EUV-Maschinen zum Stückpreis von 250 Millionen Dollar die kritische Produktionstechnologie, Asien (TSMC) stellt mit einem Marktanteil von über 90 % die fortschrittlichsten Chips her, und die USA (NVIDIA) entwickeln mit ihrer 30-jährigen GPU-Expertise die führenden KI-Beschleuniger.

Die komplexe Verflechtung zwischen Europa, Asien und den USA schafft ein anspruchsvolles Ökosystem technologischer Abhängigkeiten. Selbst die effizientesten KI-Entwicklungen wie DeepSeek, die mit deutlich weniger Chips auskommen, basieren letztlich auf dieser Infrastruktur.

ASML – Europas Schlüssel zur globalen Chip-Produktion

ASML ist der einzige Hersteller von EUV-Lithographiemaschinen, der eine Schlüsselposition in der globalen Halbleiterindustrie innehat. Das niederländische Unternehmen dominiert den Markt für fortschrittliche Chip-Produktionstechnologie mit einem Marktwert von über 300 Milliarden Euro und einer Bruttogewinnmarge von 51,1 % (Q1-Q3 2024).

Die Produktion findet in sieben Reinraum-Fabriken in der EU, den USA und Asien statt, wobei der Hauptstandort in Veldhoven (Niederlande) liegt.

TSMC – Die globale Chip-Schmiede

Der Weltmarktführer in der Auftragsproduktion von Halbleitern, der einen Marktanteil von 64,9 % (Q3 2024) aufweist, wird gefolgt von Samsung (Südkorea) mit 9,3 % und SMIC (China) mit 6 %.

Das Unternehmen ist Hauptproduzent für fortschrittliche KI-Chips und hat einen dominierenden Marktanteil bei fortschrittlichen Fertigungsprozessen. TSMC ist zudem von der EUV-Technologie von ASML abhängig, welche für die Herstellung von High-End-Produkten von entscheidender Bedeutung ist.

NVIDIA – Der KI-Chip-Pionier

NVIDIA nimmt eine führende Position im Markt für KI-Chips ein und hält einen Marktanteil von 95 % bei Datenzentrum-GPUs.

Die neuen Blackwell-Chips sind bereits für die nächsten 12 Monate ausgebucht. Die Produktion erfolgt bei TSMC unter Verwendung von ASMLs EUV-Maschinen.

Globale Strategien im Wettlauf um Chip-Souveränität

Aktuelle Marktsituation und Ziele 2030

EU (EU Chips Act / 2023)

  • Aktuell: 10% Marktanteil
  • Ziel 2030: 20% Marktanteil

USA (CHIPS for America Act / 2022)

  • Aktuell: 12% Fertigungskapazität
  • Ziel 2030: 30% Marktanteil

Asien (Taiwan/Südkorea)

  • Aktuell: Dominanz mit ~80% Gesamtanteil
  • Ziel 2030: Rückgang auf ~54% erwartet

 

European Chips Act: Der strategische Rahmen

Die Europäische Union plant, 43 Milliarden Euro in den Chips Act zu investieren. Ein Kernprojekt sind vier Technologie-Testanlagen (sogenannte Pilotlinien).

Diese Pilotlinien sind als Brücke zwischen Laborentwicklung und industrieller Massenproduktion konzipiert und stellen hochmoderne Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen dar. Ein Beispiel ist APECS (Advanced Packaging and Heterogeneous Integration for Electronic Components and Systems), in dem neue Verpackungstechnologien für Chips entwickelt und getestet werden. Diese Einrichtungen stehen Großunternehmen, KMUs und Start-ups zur Verfügung, um Innovationen zu testen, bevor sie in die Massenproduktion gehen.

Deutschland als Vorreiter der europäischen Chip-Produktion

Deutschland nimmt mit Investitionen von über 20 Milliarden Euro eine Führungsrolle in der europäischen Halbleiterindustrie ein. Diese werden durch substanzielle staatliche Förderungen unterstützt und umfassen vier Großprojekte:

European Semiconductor Manufacturing Company (ESMC), Dresden

  • Investitionsvolumen: 10 Mrd. Euro
  • Partner: TSMC (Taiwan), Bosch (Deutschland), Infineon (Deutschland), NXP (Niederlande)
  • Status: Spatenstich erfolgt (August 2024)
  • Produktionsstart: Ende 2027
  • Besonderheit: Erstes TSMC-Werk in Europa

Infineon Fab, Dresden

  • Investitionsvolumen: 5 Mrd. Euro
  • Status: Spatenstich Mai 2023
  • Finale Baugenehmigung für letzten Bauabschnitt (Mai 2024)
  • Produktionsstart: 2026
  • Bedeutung: Stärkung des „Silicon Saxony“

Bosch-Erweiterungen, Dresden & Reutlingen

  • Investitionsvolumen: 3 Mrd. Euro
  • Zeitrahmen: Ausbau bis 2026
  • Strategie: Ausbau bestehender Kompetenzzentren

Wolfspeed-Fabrik, Ensdorf/Saarland

  • Investitionsvolumen: 2,7 Mrd. Euro
  • Partner: Wolfspeed (USA) und ZF Friedrichshafen (Deutschland)
  • Status: Baubeginn: 2025 (offen)
  • Produktionsstart: 2027

 

CHIPS for America Act: Offensive für technologische Dominanz

Die USA haben ein Budget von 52,7 Milliarden USD für den CHIPS and Science Act vorgesehen, wobei bereits mehrere Großprojekte angelaufen sind. Das Programm ist Teil einer umfassenden Strategie zur Rückgewinnung der Technologieführerschaft in der Halbleiterindustrie.

Kernelemente sind 31 strategische Technologiezentren, welche als Innovationszentren für die nächste Generation der Halbleitertechnologie dienen.

Es ist jedoch zu beachten, dass der Status und die Zeitpläne dieser Projekte aufgrund der aktuellen politischen Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Regierungswechsel in den USA möglicherweise Änderungen unterliegen könnten. Die nachfolgende Übersicht gibt einen Überblick über die Großprojekte:

Samsung

  • Status: Geplante Investition von bis zu 17 Milliarden USD
  • Baubeginn: 2022
  • Produktionsstart: 2025, ursprünglich für 2024 geplant
  • Details: Neue Anlage in Taylor, Texas

TSMC

  • Status: Finalisierte Förderung von 6,6 Milliarden USD
  • Baubeginn: 2023
  • Produktionsstart: 2025
  • Details: Bau von drei hochmodernen Anlagen in Arizona

Intel

  • Status: Förderung von 7,9 Milliarden USD
  • Baubeginn: Teilweise bereits begonnen
  • Produktionsstart: Ohio, vor 2030, ursprünglich für 2025 geplant
  • Details: Projekte in Arizona, New Mexico, Ohio und Oregon

GlobalFoundries

  • Status: Finalisierte Förderung von 1,5 Milliarden USD
  • Baubeginn:
    New York, Erweiterung der bestehenden Fabrik bis 2025.
    Vermont: Modernisierung bereits im Gange
  • Produktionsstart: Nicht spezifiziert
  • Details: Erweiterung der Produktion in New York und Vermont

Micron Technology

  • Status: Geplante Investition von bis zu 20 Milliarden USD bis 2030
  • Baubeginn: 2024
  • Produktionsstart: Geplant für 2030
  • Details: Neue Fertigungskapazitäten in Clay, New York

Die USA verfolgen mit dieser koordinierten Maßnahme das Ziel, die Halbleiterproduktionskapazität bis zum Jahr 2032 zu verdreifachen. Der Fokus liegt dabei auf fortschrittlichen Chips unter 10nm, wo der US-Anteil auf 28 % der globalen Produktion steigen soll.

 

Chinas „Made in China 2025“: Neue Wege zur Technologieführerschaft

Mit dem „Made in China 2025“-Plan und dem „Big Fund III“ verfolgt China eine ehrgeizige Strategie zur Halbleiter-Autonomie. Ein staatlich unterstützter Investitionsfonds von anfänglich 21 Milliarden USD zeigt das Ziel, technologische Unabhängigkeit im Chipsektor zu erlangen. Die jüngsten Erfolge von DeepSeek zeigen eine alternative Herangehensweise: Statt sich nur auf die Hardware-Dominanz zu konzentrieren, fokussiert sich China zunehmend auf die Optimierung von Software und die effizientere Nutzung von Ressourcen.

Herausforderungen und innovative Lösungsansätze:

  • Kein Zugang zu ASML’s EUV-Technologie
  • Entwicklung alternativer Lithographie-Verfahren
  • Fokus auf mature Prozessknoten (ältere Technologie)
  • Optimierung der Chip-Nutzung (DeepSeek: 2.000 statt 16.000 Chips)
  • Innovative Software-Architekturen für höhere Effizienz
  • Aufbau geschlossener Lieferketten
  • Stärkung heimischer Zulieferer

SMIC, ein führendes Foundry-Unternehmen, verzeichnet bereits Quartalsumsätze von ca. 2 Milliarden USD.

Die Entwicklung von DeepSeek zeigt eine noch bedrohlichere Dimension der chinesischen Strategie: Mit Entwicklungskosten von nur 6 Millionen Dollar – im Vergleich zu den Milliarden-Investitionen westlicher Unternehmen – wurde ein KI-Modell geschaffen, das die Grundannahmen des Marktes erschüttert. Diese extreme Kosteneffizienz könnte nicht nur die Geschäftsmodelle etablierter KI-Unternehmen gefährden, sondern auch die Frage aufwerfen, ob deren massive Investitionen tatsächlich gerechtfertigt sind.

Allerdings werfen chinesische KI-Systeme auch ernsthafte Sicherheitsbedenken auf: DeepSeek unterliegt der staatlichen Zensur, verweigert Antworten zu sensiblen politischen Themen und könnte als Instrument für Desinformation oder Überwachung missbraucht werden.Diese Entwicklung hat bereits zu Forderungen nach verstärkten Sicherheitsmaßnahmen und der beschleunigten Entwicklung vertrauenswürdiger KI-Systeme in westlichen Ländern geführt.

Fazit

Die globale Halbleiterindustrie steht vor der größten Umstrukturierung ihrer Geschichte. Die derzeitige Dominanz Asiens mit einem Marktanteil von 80 % wird durch umfangreiche Investitionsprogramme in Europa und den USA neu ausbalanciert. Ziel ist es, bis zum Jahr 2030 eine ausgewogenere Verteilung der Marktanteile zu erreichen (Asien 50 %, USA 30 %, Europa 20 %).

Die einzigartige Verflechtung der Hauptakteure bleibt dennoch von entscheidender Bedeutung: Europas Kontrolle der Schlüsseltechnologie durch ASML, TSMCs Fertigungsdominanz und NVIDIAs Führung im KI-Chip-Markt bilden weiterhin das Fundament der globalen Technologieentwicklung. Die Entwicklung Deutschlands zu einem Produktionszentrum für Chips mit Investitionen von über 20 Milliarden Euro stärkt Europas Position zusätzlich.

Mit Inkrafttreten des EU AI Acts ab Februar 2025 steht Europa vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits muss die Chip-Produktion ausgebaut werden, andererseits gilt es, in der KI-Entwicklung aufzuholen – und das in einem Umfeld, in dem chinesische Unternehmen mit deutlich geringeren Ressourcen konkurrenzfähige Systeme entwickeln. Die verpflichtenden Mitarbeiterschulungen und klaren regulatorischen Vorgaben des EU AI Acts bieten dabei die Chance, vertrauenswürdige und ethische KI-Systeme zu entwickeln, die sich von potenziell problematischen chinesischen Alternativen abheben.

Europas technologische Souveränität wird sich künftig nicht nur an der Hardware-Expertise, sondern auch an der Fähigkeit messen lassen, effiziente und vertrauenswürdige KI-Systeme zu entwickeln.

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