Make or Buy? Ein Stufenmodell für KI-Kompetenzen in Unternehmen

24. Februar 2025

Der neue EU AI Act stellt Unternehmen vor eine zentrale Herausforderung, denn Artikel 4 verpflichtet sie, ausreichende KI-Kompetenzen bei Mitarbeitenden sicherzustellen. Viele Unternehmen sehen sich mit grundlegenden Fragen konfrontiert: Welche KI-Kompetenzen sind wirklich notwendig? Wie lässt sich das komplexe KI-Ökosystem strukturieren? Und vor allem: Welche Fähigkeiten sollten intern aufgebaut und wo ist externe Expertise sinnvoll?

Die systematische Entwicklung dieser Fähigkeiten wird durch die verpflichtende Einführung von KI-Kompetenzen im Rahmen des EU AI Act zur strategischen Aufgabe. Unternehmen benötigen einen strukturierten Überblick über die verschiedenen Kompetenzstufen – von der einfachen Nutzung vorgefertigter KI-Tools bis hin zur Entwicklung autonomer Systeme. Diese Orientierung ist entscheidend, um eine fundierte KI-Strategie zu entwickeln und die richtigen Make-or-Buy-Entscheidungen für den systematischen Aufbau der benötigten Kompetenzen zu treffen.

 

Das 7-Ebenen-Modell der KI-Kompetenzen

Die erfolgreiche Implementierung von KI-Technologien erfordert aufeinander aufbauende Kompetenzen. Jede Ebene erweitert dabei die Möglichkeiten der vorherigen und ermöglicht eine effektivere Nutzung von KI-Systemen. Das folgende Modell zeigt die sieben Ebenen der KI-Kompetenz:

 

Ebene 1: Toolbasierte Anwendung (Grundlagen der KI-Nutzung)

Ebene 2: Prompt-Engineering (Optimierung der KI-Interaktion)

Ebene 3: Low-Code und CustomGPTs (Automatisierung von KI-Prozessen)

Ebene 4: Systemintegration (Einbindung in Unternehmenssysteme)

Ebene 5: Domänenspezifisches Fine-Tuning (Spezialisierung der KI)

Ebene 6: KI-Entwicklung (Eigene KI-Lösungen)

Ebene 7: Autonome Systeme (Selbstlernende KI-Ökosysteme)

 

Ebene 1: Toolbasierte Anwendung

Der Einstieg in die KI-Nutzung erfolgt durch das Verständnis und die Anwendung fertiger KI-Tools. Ein grundlegendes KI-Verständnis ist dabei von entscheidender Bedeutung, um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen und typische Anfängerfehler zu vermeiden.

Praxisbeispiele:

  • Erstellung von Marketing-Texten mit Mistral
  • Gezielte Bildgenerierung mit FLUX
  • Systematische Verarbeitung von Kundenanfragen
  • Transkription und Zusammenfassung von Meetings

Anforderungen:

  • Grundlegendes Verständnis von KI-Möglichkeiten und -Grenzen
  • Kenntnis der wichtigsten KI-Tools und ihrer Einsatzgebiete
  • Bewusstsein für Datenschutz und Qualitätskontrolle

 

Ebene 2: Prompt-Engineering

In dieser Ebene wird die grundlegende Kompetenz vermittelt, KI-Systeme effektiv zu steuern. Die in diesem Kurs erlernten Fähigkeiten sind die Grundlage für alle weiteren Lerninhalte und bestimmen maßgeblich die Qualität der KI-Ergebnisse – von der einfachen Anfrage bis zum komplexen KI-System.

Praxisbeispiele:

  • Entwicklung wiederverwendbarer Prompt-Templates
  • Strukturierte Analyse komplexer Dokumente
  • Integration von Unternehmenskontext in Anfragen
  • Systematische Qualitätskontrolle der KI-Ausgaben

Anforderungen: ⭐⭐

  • Vertieftes Verständnis der KI-Funktionsweise
  • Fähigkeit zur strukturierten Anfrageentwicklung
  • Erfahrung in der Qualitätssicherung von KI-Outputs

 

Ebene 3: Low-Code und CustomGPTs

Auf dieser Ebene werden die Prompt-Engineering-Kenntnisse genutzt, um dauerhafte KI-Lösungen zu erstellen. Durch visuelle Entwicklungsumgebungen entstehen automatisierte Workflows und spezialisierte KI-Assistenten, die wiederkehrende Aufgaben standardisiert ausführen.

Praxisbeispiele:

  • Entwicklung spezialisierter KI-Assistenten für Fachabteilungen
  • Automatisierung von Dokumentenverarbeitung
  • Integration verschiedener KI-Tools in Arbeitsprozesse
  • Erstellung branchenspezifischer Workflows

Anforderungen: ⭐⭐⭐

  • Verständnis von Workflow-Automatisierung
  • Grundlegendes technisches Prozessverständnis
  • Erfahrung mit Low-Code Plattformen

 

Ebene 4: Systemintegration

In diesem Bereich erfolgt die fachkundige Einbindung von KI-Systemen in die vorhandene IT-Infrastruktur. Der Schwerpunkt liegt auf der reibungslosen Verbindung von KI-Funktionen mit Unternehmenssoftware und Datenbanken.

Praxisbeispiele:

  • Integration von KI in CRM- und ERP-Systeme
  • Aufbau automatisierter Datenverarbeitungspipelines
  • Entwicklung KI-gestützter Schnittstellen
  • Implementierung von Sicherheits- und Compliance-Mechanismen

Anforderungen: ⭐⭐⭐⭐

  • Fundierte IT-Systemkenntnisse
  • API- und Datenbankexpertise
  • Verständnis für Systemarchitektur

 

Ebene 5: Domänenspezifisches Fine-Tuning

In dieser Ebene geht es um die Anpassung bestehender KI-Modelle an die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens. Vorhandene KI-Systeme werden mit Unternehmensdaten trainiert und optimiert.

Praxisbeispiele:

  • Training von Sprachmodellen mit Fachterminologie
  • Optimierung von KI für branchenspezifische Aufgaben
  • Entwicklung spezialisierter KI-Analysemodelle
  • Anpassung von KI-Systemen an Unternehmensrichtlinien

Anforderungen: ⭐⭐⭐⭐

  • Expertise in Machine Learning
  • Erfahrung mit Modelltraining
  • Tiefes Verständnis der Fachdomäne

 

Ebene 6: KI-Entwicklung

Auf dieser Ebene werden eigenständige KI-Lösungen entwickelt, die spezifische Geschäftsanforderungen adressieren und nicht durch bestehende Systeme abgedeckt werden können.

Praxisbeispiele:

  • Entwicklung maßgeschneiderter KI-Algorithmen
  • Erstellung spezialisierter Machine Learning Modelle
  • Implementation von KI-gesteuerten Entscheidungssystemen
  • Entwicklung hybrider KI-Architekturen

Anforderungen: ⭐⭐⭐⭐⭐

  • Umfassende KI-Entwicklungsexpertise
  • Tiefgreifende Programmierkenntnisse
  • Erfahrung in der Systemarchitektur

 

Ebene 7: Autonome Systeme

Die höchste Entwicklungsstufe umfasst die Schaffung selbstlernender KI-Ökosysteme, die eigenständig Entscheidungen treffen und sich kontinuierlich verbessern können.

Praxisbeispiele:

  • Entwicklung selbstoptimierender Produktionssysteme
  • Implementation von KI-gesteuerten Handelssystemen
  • Aufbau autonomer Logistiknetzwerke
  • Erstellung adaptiver KI-Sicherheitssysteme

Anforderungen: ⭐⭐⭐⭐⭐

  • Forschungsniveau in KI-Entwicklung
  • Expertise in verteilten Systemen
  • Tiefgreifendes Verständnis von Reinforcement Learning

 

Make-or-Buy: Strategische Entscheidungen für jede Kompetenzebene

Die Entscheidung zwischen Eigenentwicklung und Zukauf von KI-Kompetenzen ist komplex und muss für jede Ebene separat evaluiert werden.Dabei spielen strategische Bedeutung, verfügbare Ressourcen und zeitliche Anforderungen eine zentrale Rolle.

Die nachfolgenden Entscheidungskriterien sind entsprechend der jeweiligen Ebene zu berücksichtigen.

 

Basis-Ebenen (1-3): Interne Kernkompetenzen

Make:

  • Systematische Schulung aller Mitarbeiter in KI-Grundlagen
  • Aufbau von Prompt-Engineering-Expertise
  • Entwicklung von CustomGPTs und Team-KI-Assistenten

Buy:

  • Initiales Training durch externe Experten
  • Best-Practice-Workshops
  • Beratung bei ersten Implementierungen

Empfehlung: Primär interner Aufbau mit gezielter externer Unterstützung für schnellen Kompetenzaufbau

 

Fortgeschrittene Ebenen (4-7): Spezialisierte Expertise

Make:

  • Nur bei strategischer Notwendigkeit
  • Wenn KI zum Kerngeschäft gehört
  • Bei hohen Sicherheits-/Compliance-Anforderungen

Buy:

  • Spezialisierte Entwicklungspartner
  • Cloud-Service-Provider
  • KI-Plattform-Anbieter

Empfehlung: Der Fokus sollte auf „Buy“ liegen, während „Make“ nur in strategisch wichtigen Kernbereichen eingesetzt werden sollte.

 

Fazit

Der Aufbau von KI-Kompetenzen ist für Unternehmen keine Option, sondern eine strategische Notwendigkeit. Die vorgestellten sieben Ebenen bieten einen strukturierten Weg, diese Kompetenzen systematisch zu entwickeln. Dabei zeigt sich deutlich:

Die ersten drei Ebenen – von der grundlegenden KI-Nutzung über Prompt-Engineering bis hin zu CustomGPTs und Low-Code-Lösungen – sollten als interne Kernkompetenzen aufgebaut werden. Diese bilden das Fundament für alle weiteren KI-Aktivitäten im Unternehmen.

Für die höheren Ebenen empfiehlt sich dagegen meist eine Buy-Strategie, es sei denn, KI gehört zum strategischen Kerngeschäft.

Die Zeit des Experimentierens mit KI ist vorüber. Der Fokus liegt nun auf dem systematischen und strategisch durchdachten Aufbau von KI-Kompetenzen als Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen.

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