Warum KI-Implementierung Fachwissen braucht: Eine persönliche Reise

9. Juni 2025

Im Frühjahr 2025 habe ich den Hugging Face Agents Kurs erfolgreich abgeschlossen und das entsprechende Zertifikat erhalten. Ich habe einen KI-Agenten entwickelt, der auf Open-Source-Technologien basiert, die DSGVO-Konformität gewährleistet und als On-Premises-Lösung eingesetzt werden kann. Der Agent nutzt Mistral-Large als primäres Modell und ist mit EU AI Act-konformen Open-Source-Tools ausgestattet. Ein Agent verfügt über zwölf Fähigkeiten, die nativ orchestriert sind, um sicherzustellen, dass er das richtige Werkzeug für jede GAIA-ähnliche Aufgabe auswählen kann.

Was für ein Erfolg, könnte man meinen. Hinter dieser Erfolgsgeschichte steht jedoch eine wichtige Erkenntnis, die ich mit Ihnen teilen möchte: KI wird uns nicht ersetzen, aber sie wird diejenigen ergänzen, die verstehen, wie man sie richtig einsetzt.

Meine Reise von „fast null Programmierkenntnissen“ bis hin zur Entwicklung dieses funktionierenden Agenten war von zahlreichen Herausforderungen geprägt, die ein entscheidendes Prinzip unterstreichen: Technisches Fachwissen ist nach wie vor von entscheidender Bedeutung.

 

Der Vibe-Coding-Fallstrick

Stellen Sie sich vor, Sie werden mit einem hochmodernen Rennwagen-Cockpit ausgestattet, haben jedoch keinerlei Erfahrung im Führen von Fahrzeugen. Dies ist ein typisches Beispiel für die Herausforderungen, mit denen viele KI-Implementierungen heute konfrontiert sind. Das Problem beginnt mit dem, was in der Branche als „Vibe Coding“ bezeichnet wird.

VideCoding

[Image: Robert Ranson]

 

Vibe Coding, wie auf dem Bild dargestellt, ist ein Ansatz, bei dem ohne Entwicklungserfahrung auf der Grundlage von schnellen Ideen experimentell gearbeitet wird. Dies mag bei einfachen Projekten funktionieren – bei Prototypen oder Machbarkeitsprüfungen in Entwicklungsumgebungen, wie sie in zahlreichen Tutorials und auf YouTube zu finden sind. Bei komplexeren Anwendungen oder im Kontext einer Produktionsumgebung stößt dieser Ansatz jedoch schnell an seine Grenzen.

Wie Brad Ross in seinem LinkedIn-Post https://www.linkedin.com/posts/bradaross_agentics-agenticai-activity-7334230494756130816-pDk8?utm_source=share&utm_medium=member_desktop&rcm=ACoAAB7F0pEB09b4M1FuHNg8hQEVoVaC-orlXnU, der sich viral verbreitet hat, erklärt, ist Agentic Engineering keine Magie. Die Software-Grundlagen sind für den Umgang mit dieser Software unerlässlich. Daher ist es keine Abkürzung, diese zu überspringen. Es ist ein Hochleistungs-Framework, das speziell für professionelle Anwender entwickelt wurde, die über fundierte Kenntnisse in diesem Bereich verfügen.“

 

Von Notebooks zu echten Projekten: Die unüberbrückbare Kluft

Ein zentrales Problem, auf das ich stieß, war: Ich benötige Informationen dazu, wie ich ein Coding-Projekt starte, das MVP- oder produktionsreif ist. Es soll sich nicht nur um ein Jupyter oder Colab Notebook mit einzelnen Code-Snippets handeln, die ich im Kurs nachvollziehen konnte.

In der Anfangsphase meiner Tätigkeit war mir die Bedeutung von Dateien wie README-, requirements.txt- oder app.py-Dateien nicht bewusst. Bei Colab sind die Anforderungen automatisch vorhanden, in Jupyter müssen sie separat im Code geladen werden und in Hugging Face Space sind es separate Dokumente mit eigenen Bezeichnungen. Bitte beachten Sie, dass die API-Keys im Colab in den Secrets, in Jupyter in der .env-Datei zu finden sind.

Diese scheinbar trivialen Unterschiede stellen für Einsteiger massive Hürden dar. Für eine effektive Anleitung der KI ist ein grundlegendes Verständnis von Projektstrukturen unerlässlich.

 

Der „Boiling the Ocean“-Moment

In meinem Hugging Face-Projekt und einem internen Projekt, bei dem ich einen KI-Agenten für mein gesamtes LEAN- und Six-Sigma-Wissen in einem RAG (Retrieval-Augmented Generation) entwickeln wollte, ist mir ein entscheidender Fehler unterlaufen: Ich habe es versäumt, mich ausreichend mit den fachlichen Details auseinanderzusetzen und bin in meiner Analyse zu oberflächlich geblieben. Ich habe zwar vorgegeben, welche Modelle und Tools verwendet werden sollten (Ollama mit Docker, Mistral und Qdrant), aber wesentliche Entscheidungen wie die Programmiersprache (Python oder TypeScript) habe ich bewusst offen gelassen.

Wie mein Mentor Reuven Cohen es ausdrückte: „Sie versuchen, das gesamte Problem zu lösen, ohne die notwendige Struktur zu etablieren.“

Das Ergebnis: Ein Agent, der in Teilen funktioniert, aber als Ganzes nicht die gewünschten Ergebnisse liefert.

 

Das Zen von Python als Leitfaden

Mehrere Prinzipien aus Tim Peters‘ „Zen of Python“ haben sich für mich als besonders wertvoll erwiesen:

  • „Widerstehe angesichts von Mehrdeutigkeit der Versuchung, zu raten.“
  • „Wenn die Umsetzung schwer zu erklären ist, ist es eine schlechte Idee.“

Diese Prinzipien sind für KI-Projekte von entscheidender Bedeutung. KI-Systeme erfordern Klarheit und Präzision. Sollten Unsicherheiten bezüglich der Funktionsweise bestehen, verstärkt die KI diese.

 

Die richtige Toolchain wählen

Eine weitere Herausforderung stellte die Auswahl der geeigneten Werkzeuge aus einem scheinbar unerschöpflichen Arsenal dar.

  • Cursor, Lovable, Replit, Cline, RooCode – was sind diese Tools und wie verwendet man sie richtig?
  • .clinerules-Dateien für konkrete, überprüfbare Vorgaben wie Namenskonventionen oder Architekturregeln
  • Projektstruktur: app.py, requirements.txt, README.md und die richtige Organisation von Dateien und Ordnern

Die richtige Toolchain ist von entscheidender Bedeutung, doch ohne das entsprechende Verständnis für deren Einsatz führt selbst die beste Ausrüstung zu Frustration. Es geht nicht darum, einfach die neuesten Tools zu verwenden, sondern zu verstehen, welches Tool für welchen Zweck geeignet ist und wie man es effektiv einsetzt.

 

Best Practices für die Code-Entwicklung mit KI

Im Rahmen der Entwicklung von KI-basierten Systemen hat sich der PDCA-Zyklus (Plan, Do, Check, Act) als eine äußerst effektive Methode erwiesen.

  1. Plan: Unterteilen Sie Ihr Coding-Projekt in mehrere Phasen und Teilaufgaben
  2. Do: Bearbeiten Sie jede Code-Teilaufgabe separat
  3. Check: Testen Sie jeden Code-Abschnitt mit Tests (TDD) und Debugging
  4. Act: Aktualisieren Sie nach jedem erfolgreichen Test Ihre Checklisten und Dokumentation, führen Sie Code-Bereinigungen durch und sichern Sie Ihre Fortschritte in der Versionskontrolle

Ein kritischer Punkt bei der Arbeit mit KI-Codegeneratoren: Lassen Sie die KI niemals ohne menschliche Kontrolle laufen. Sie müssen überprüfen, was sie tut und sie anleiten. Andernfalls besteht die Möglichkeit, dass sie zu überentwickeln beginnt. Stattdessen sollte sie eine bessere Prompt-Engineering-Strategie implementieren anstatt komplexe Nachbearbeitungsschritte einzuführen.

 

Die Rolle des Fachexperten in der KI-Ära

Meine Erfahrung zeigt deutlich, dass KI-Systeme einer aktiven Führung durch Fachleute bedürfen. Die Vorstellung, dass eine Person der KI lediglich Befehle erteilen muss, damit diese alle Aufgaben korrekt ausführt, ist ein gefährlicher Mythos.

In meinem Fall konnte ich trotz detailliertem Superprompt mit Projektdateien und clinerules Dateien keinen vollständig funktionierenden Code erzeugen. Durch eine sorgfältige Debugging-Analyse und eine schrittweise Untersuchung konnte ich die Fehlerquellen identifizieren und die Gründe für die mangelnde Funktionalität bestimmter Ansätze verstehen.

 

Zusammenfassung

Die KI-Revolution ist eine real existente Entwicklung, die jedoch nicht das Fachwissen ersetzt, sondern es verstärkt. So wie ein Ferrari in den Händen eines erfahrenen Fahrers sein volles Potenzial entfaltet, kann KI in den Händen von Fachexperten wahre Wunder vollbringen. Wie Brad Ross richtig anmerkt, ist Agentic Engineering eine anspruchsvolle Aufgabe, die Erfahrung voraussetzt.

Für Unternehmen bedeutet dies: Es empfiehlt sich, nicht nur in KI-Tools, sondern auch in die Ausbildung der Mitarbeiter zu investieren. Es ist essenziell, dass Ihre Teams die erforderlichen Grundlagen verstehen, bevor sie mit komplexen KI-Implementierungen beginnen.

Der erfolgreiche Einsatz von KI in Unternehmen erfordert solide Kenntnisse, ein strukturiertes Vorgehen und ein tiefes Verständnis sowohl der Technologie als auch der Fachdomäne. Nur so können wir das wahre Potenzial dieser revolutionären Technologie ausschöpfen.

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